Risikofaktoren für gelebtes Entrepreneurship gezielt vermeiden

Risikofaktoren für gelebtes Entrepreneurship gezielt vermeiden

Sehen wir uns einmal an, wie klassische Unternehmen – die meisten, die wir am Markt finden – jegliche Entrepreneurship binnen kürzester Zeit zerstören, um zu erkennen, was wir in Zukunft tunlichst vermeiden sollten.

1. Ansatzpunkt Strategie
Immer noch wird allerorts an „Strategien“ gearbeitet – obwohl heute geradezu undenkbar ist, dass die Unternehmensleitung wüsste, was nächstes oder übernächstes Jahr oder in 5 Jahren im Markt auf sie zukommt und wie der Markt sinnvoll bedient werden kann – wenn in Zeiten disruptiver Umbrüche, die wir seit Jahren erleben (und das wird sich nicht so schnell ändern) niemand voraussagen kann, wie sich der Markt entwickelt.
Anstatt jedoch klare Quantitäts- und Qualitätsergebnisse als Rahmen vorzugeben (Radatz, 2013), diese auch monatlich einzufordern und die Direct Reports dabei zu begleiten, dass sie diese Ergebnisse auch tatsächlich „können“, investiert die Leitung ihre Zeit in Strategiearbeit und nimmt damit jeder Führungskraft und jedem Mitarbeiter im Unternehmen die Möglichkeit, unternehmerisch zu handeln und flexibel potenzielle Chancen des Marktes zu nutzen. Und die Unternehmen geraten ins Stocken. Das erleben wir jeden Tag…
Entrepreneurship? Hat hier keine Chance!


2. Ansatzpunkt Aufgabenorientierung
Nun, Unternehmen verstanden sich schon in den Handwerks- und Handelsunternehmen frühester Zeit und später in den industriellen Produktionsunternehmen als aufgabenorientiert: Früher der Vater an den Sohn, heute der Vorarbeiter an den Arbeiter bzw. die Filialleiterin an die Verkäuferin, geben Leitende bzw. Führungskräfte ihren Mitarbeitern jeweils Aufgaben.
Und das ist bis heute so geblieben.
Das bedeutet, dass Mitarbeiter – selbst wenn sie mit hehren Entrepreneur-Gedanken ins Unternehmen eintreten – niemals Entrepreneurship betreiben können, weil sie eine Aufgabe nach der anderen erledigen sollten, aber keinen Bereich (neu) gestalten können. Das betrifft mittelständische Unternehmen genauso wie internationale Konzerne, in denen die „Policies“ und die bestehenden Prozesse die Grundlage aller Arbeit bilden und innerhalb (!) derer die bereits vordefinierten Strategien und Aufgaben binnen einer bestimmten Zeit umzusetzen sind. Und das auf allen Ebenen, in allen Bereichen.
Die einzige Veränderung, die hier möglich ist, besteht in schnellerer Arbeit - und voilà: Das Burnout zieht im Unternehmen ein. Eine logische Folge schnellerer Arbeit im Hamsterrad! Und die Entrepreneurship? Wird im Keim erstickt.


3. Ansatzpunkt Hierarchie
Ob die Arbeit erfolgreich ist oder nicht, bestimmt nicht etwa der interne oder externe Kunde, sondern die Führungskraft, welche über die Einhaltung der Prozesse und Policies und die erfolgte Umsetzung der bestehenden Strategien wacht.
Dies mag in regionalen Landschaften, in denen die Führungskraft bzw. die Leitung alles (besser) weiß und den Markt „kennt“, durchaus funktionieren – aber spätestens seit dem Eintritt in das digitale Zeitalter funktioniert das nicht (mehr): Die Idee, dass der „Obere“ es besser weiß, ist nicht mehr hilfreich. Und sie zerstört jede potenzielle Entrepreneurship, denn es geht im klassischen Unternehmen niemals darum, was erfolgreich ist oder sein könnte, sondern vielmehr darum, ob das Aufgetragene ordnungsgemäß erledigt wurde.


4. Ansatzpunkt Prozessfixierung
Die Idee, dass Prozesse langfristig „funktionieren“ und daher tunlichst festgeschrieben, dann von allen befolgt und schließlich an neue Mitarbeiter weitergegeben werden sollten, mag zwar im vergangenen Jahrhundert noch sinnvoll gewesen sein, aber im digitalen Zeitalter ist diese Idee endgültig obsolet: Gerade die Prozesse gilt es ja, immer wieder über Bord zu werfen und neu zu denken, will ein Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben: Es geht darum, etwas anderes zu tun, wenn das Bestehende nicht funktioniert – und nicht das Bestehende schneller zu tun. Und das erzwingt eine Flexibilisierung von Prozessen und die Verlagerung deren Gestaltung an jeden einzelnen Arbeitsplatz – außer es geht um Fließbandunternehmen à la McDonald´s oder die Produktionsbereiche von VW oder Audi: Denn dort will man ohnehin keine Menschen, sondern im besten Fall Roboter am Werken haben, die mit bestimmten Prozessen programmiert sind.

Prozesse haben heute u.a. eine so kurze Halbwertszeit, weil die technischen Möglichkeiten sich so rasch verändern, der potenzielle Unternehmensradius so groß ist und die Konsumentenpräferenzen und das Konsumentenverhalten sich so rasch weiterentwickeln und so wenig voraussagbar sind.
Wer die Prozesse fixiert, wird niemals Entrepreneurship ermöglichen – denn die potenziellen Entrepreneure tanzen dann wie Tanzbären nur noch um sich selbst. Und irgendwann werden sie müde. Ihr Unternehmen aber auch!


Weiterlesen: LO 107 - Wie wir Entrepreneurship erzeugen

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