Das Zeitalter nach unserer klassischen Schulbildung

Das Zeitalter nach unserer klassischen Schulbildung

Was ich feststelle ist:
Junge Menschen (und solche, die jung geblieben sind) erleben vielmehr, als dass sie passiv lesen und aufnehmen. Und sie teilen diese Erlebnisse mit anderen, gestalten und pflegen weltweite Beziehungen und leben nicht selten hautnah mit Menschen zusammen, die oft 2.000 Kilometer und weiter entfernt sind. Oder anders ausgedrückt: Sie erfahren von einem Erdbeben nicht (nur) durch die Nachrichten, sondern von ihren Freunden die direkt am Ort des Geschehens sind und ein Video darüber senden, was sie dort erleben.

  1. Film & aktiv erleben anstatt Lesen & passiv aufnehmen

Ja, es stimmt: Junge Menschen lesen immer weniger. Die meisten lesen gar nicht. Zumindest nicht so, wie wir uns das vorstellen: Kontemplativ auf der Parkbank sitzen,d, mit einem Buch in der Hand.

Aber: Niemals zuvor gab es so viele Filme wie heute – nicht nur solche, die sich Menschen „ansehen“, sondern auch und vor allem solche, die sie „instant“ drehen und an Freunde, Kollegen, Kunden versenden – die ausdrücken, worum es genau in diesem Moment geht; was sie fühlen, was ihnen wichtig ist. Denn das Leben – das merken die Menschen heute – ist nicht (nur) das geschriebene Wort, sondern ein Ganzkörpererlebnis, in dem die Beziehung eine große Rolle spielt; in dem wir uns als Teil des Erlebten sehen und präsentieren.

 

 

  1. Und die Folgen?

In einer solchen Welt spielt die Rechtschreibung wohl eine eher untergeordnete Rolle; übernimmt doch diese Aufgabe ein einfaches technisches Programm, das uns an der richtigen Stelle „korrigierende“ Vorschläge anbietet. Wobei sich natürlich die Frage stellt, welche Rolle das geschriebene Wort überhaupt einnimmt, wenn wir mittels Face Time, Skype und Viper jederzeit und immer in voller Präsenz und „mit allen Sinnen“ das viel eindrücklicher zu vermitteln vermögen, was uns wichtig ist.

Das papierlose Arbeiten – ich erlebe es bei einem sehr guten Freund von mir, der mir jeden Tag nicht nur seine Aversion gegen die Papierflut vermittelt, sondern auch kein einziges Stück Papier besitzt; keines besitzen will. Vielmehr benötigt er nicht mehr als sein i-phone und einen Wi-Fi-Anschluss, um zu den reinen Wi-Fi-Kosten – also praktisch kostenlos! – mit allen global ansässigen Kunden via Face Time in Video Konferenzen ihre Produkte und Angebote zu präsentieren, 24/7 mit ihnen in Kontakt zu stehen, diesen Kontakt über ungewöhnlich viele Kanäle zu gestalten und auszubauen – und seinen Beziehungsjob optimal zu erfüllen.

 

 

  1. … und unsere Zukunft braucht diese „anderen“ Human Resources!

Es ist klar, dass wir mit diesem „Menschenmaterial“, mit diesen „Human Resources“ unsere gewohnte Zukunft eben gerade nicht bewältigen können. Vielmehr stellt sich für mich umgekehrt (!) die Frage, inwieweit wir unser Bild der Zukunft weiter sinnvoll aufrecht erhalten wollen. Denn einerseits arbeiten wir auf Hochtouren daran, all jene Jobs zu „technologisieren“ – also über Maschinen, Computer, Roboter ausführen zu lassen – die aktuell die Menschen rund um uns herum im „Hamsterrad“ gefangen halten, die sie krank machen, weil sie jeden Tag das Gleiche von ihnen erfordern, obwohl sie wissen, dass entlang der Gedanken von Humberto Maturana und Heinz von Foerster die Menschheit immer nur dadurch überlebt hat, dass sie ihr Verhalten laufend verändert hat (und wir dies im Rückspiegel „Evolution“ nennen)…

 

 

  1. Im Kommen – oder schon da? „Beziehungsarbeit“

Andererseits definiert sich die neue Arbeit als Beziehungsarbeit. Gut, wir vermeiden nach wie vor den Blick darauf; wir weigern uns in vielen hoch entwickelten Ländern beharrlich, die Sozialarbeit, die psychologische Betreuung, Therapie oder auch Berufsbegleitung, Lebensbegleitung, Partnerschaftsbegleitung, Familienbegleitung, Altenbegleitung staatlich zu unterstützen; wir haben kaum Ausbildung für beziehungsgestaltende Berufe; und in den Schulen kommt das Thema „Beziehungsgestaltung“ überhaupt nicht vor (ich gehe davon aus, dass Sie nie einen Test in Beziehungsgestaltung bewältigen mussten – und ja, vermutlich müssten sich dann die Lehrer auch ein gänzlich neues Prüfsystem überlegen, denn die Qualität des Beziehungsaufbaus lässt sich nun einmal ausschließlich am praktischen Fall, und das auch nur sehr subjektiv, „prüfen“…

 

 

  1. Sind Sie bereit?

Und natürlich sind wir nicht bereit für das neue Zeitalter; wir sind nicht einmal in Ansätzen darauf vorbereitet! Aber unsere Ignoranz beeinträchtigt in keiner Weise das Stattfinden dieser Phänomene! Das Verhalten, das wir dabei beobachten können, lässt uns nur dann eine „Verdummung“ befürchten, wenn wir jene Maßstäbe anwenden, die wir in unserer guten alten Welt angewendet haben. Und genau diese Maßstäbe nützen uns für die aktuelle Welt nicht mehr viel; sie können sogar kontraproduktiv wirken, wenn wir unsere Zeit mit den „klassischen Fächern“ verbringen…

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